Gibt es so etwas wie einen perfekten Trainer? Das habe ich mich viele Jahre immer wieder gefragt und bin mittlerweile eigentlich davon ausgegangen, dass so etwas unmöglich ist. Es kann keinen perfekten Trainer geben und vielleicht braucht man auch gar keinen, dachte ich mir. Aber irgendwie schwang Resignation darin mit. Denn ich wollte eigentlich einen. Und ich ahnte vielleicht auch, dass meine Suche doch noch belohnt werden würde.
Vieles ist nicht perfekt – und das ist auch gut so
Da ich selbst nicht den Anspruch auf Perfektion für mich als Trainerin erhebe, erwarte ich es eigentlich auch nicht von anderen. Ich mache Fehler, habe keinen perfekten Körper und weiss nicht alles. Nobody is perfect. Hey, dachte ich mir deshalb. Jeder hat seine Schwachstellen. Auch andere Trainer. Das ist normal und vielleicht ja auch ganz gut so. Ich gewöhnte mich an diesen Zustand. Und dennoch hoffte ich irgendwie, einen bestimmten Menschen zu treffen, der mich genau da abholt, wo ich bin und mich dann zu meinem vollen Potenzial (zu meinen Hundertprozent) weiterführt. Einen für mich perfekten Trainer eben.
Bei Yoga-Kursen stellte ich fest, dass es ganz gut tut, dass auch andere eben nicht perfekt sind. Beim näheren Hinschauen entdeckte ich, dass selbst die prominentesten Yoga-Teacher nicht alles wissen, nicht alles können. Es beruhigte mich, dass auch die ganz Grossen nur „mit Wasser kochen“ und „das Rad nicht neu erfinden“ können. Bitte versteh mich nicht falsch. Das erwarte ich auch von niemandem. Auch nicht von meinem heimlichen Traum eines perfekten Trainers.
Yoga & Bewertungen
Ich weiss, dass es eine der Grundregeln im Yoga ist, sich gerade nicht mit anderen zu messen, zu vergleichen und andere zu bewerten. Grundsätzlich geniesse ich diese Freiheit in Yoga-Stunden bei mir und nur bei mir bleiben zu dürfen.
Aber seien wir doch auf der anderen Seite mal ehrlich: Wir Menschen sind Beziehungswesen. Deshalb orientieren wir uns auch an anderen. Oft genug begegnet mir gerade innerhalb der Yoga-Welt Bewertung, die ja eigentlich frei davon sein möchte. Ab wann ist man ein guter (perfekter) Yoga-Lehrender? Ist man nur, wenn man ein veganes Leben lebt, ein echter Yogi? Oder wenn man sich die Füsse auf die eigenen Schultern legen kann? Muss man erleuchtet sein oder zumindest auf einer imaginären, spirituellen Wolke sitzen, um anerkannt zu sein? Ich habe derlei Verurteilungen erlebt. Ich habe mich erst geärgert und dann wieder beruhigt. Denn Bewertungen sind zwar nicht immer schön, aber menschlich. Doch einige tun einfach nach wie vor so, als würden sie über all dem stehen.
Wer sich mit der Thematik mal beschäftigen möchte, dem empfehle ich das Buch: „Alle sind erleuchtet“ von Kristin Rübesamen. Es ist sehr offen geschrieben.
Authentizität
Viel ehrlicher finde ich deshalb den authentischen Umgang mit unserem Mensch-Sein. Wir Menschen haben Licht- und Schattenscheiten. Wir haben Gefühle, Emotionen und Verhaltensmuster. Eines davon ist die Aggression. Aggression ist per se erst einmal weder positiv noch negativ. Es entspricht unserer archaischen fight-or-flight Reaktion. Deshalb sollten wir sie nicht verurteilen oder unterdrücken, um ein vermeintlich besserer Mensch oder Yogi zu sein. Aggression gehört zur Grundausstattung des Menschen, genauso wie unser Sexualtrieb, unser Verlangen nach Schlaf und nach Nahrungsaufnahme. Wichtig ist es aber meines Erachtens, diese Kräfte lenken zu lernen. Dies gilt beim Yoga, beim Kampfsport und im Leben an sich. Es geht in all dem um Selbstverwirklichung, nicht um Verleugnung. Diese macht uns nur krank. Sicherlich sollte aber niemand absichtlich beziehungsweise ohne Grund verletzt werden. So werden wir Ahimsa (Gebot des Nicht-Verletztens im Yoga) vielleicht trotz unserer Menschlichkeit etwas gerecht.
Perfektion – was meine ich damit?
Perfektion ist ein schwieriges, missverständliches und vielleicht sogar ungünstiges Wort im Zusammenhang mit Menschen. Hier ist nicht die Makellosigkeit (äusserlich wie innerlich) einer Person gemeint, sondern vielleicht sogar eher das Gegenteil davon. Es sind vielmehr die Ecken und Kanten einer gewachsenen Persönlichkeit, die es versteht, aus mir das herauszuholen, was in mir schlummert, weil er/sie selbst durch die Höhen und Tiefen des Lebens gegangen ist – das meine ich viel eher mit „perfekt“. Denn das ist genau das, was ich von einem Trainer brauche. Verständnis für mich und dennoch den Schubs in die gewagte Zone des Unbequemen und Unbekannten, in der ich mich entfalten und entwickeln kann.
Jeder Trainer ist im Grunde genommen perfekt. Jeder gibt das, was er erfahren hat, einzigartig weiter. Zu mir kommen andere Yoga-Teilnehmer als zur Yoga-Lehrerin XY, weil wir andere Menschen anziehen. Die Leute, die genau deine Qualitäten brauchen, finden dich auch. Für sie bist du wiederum perfekt. So hoffte ich, meinen perfekten Trainer doch noch irgendwo zu treffen.
Neuer Sport, neue Chance
Von meiner Leidenschaft zum Kickboxen habe ich schon in einem der letzten Artikel berichtet. Es ist für mich der perfekte Ausgleich zu allem.
Beim Yoga richtet man sich nach innen. Mit Zeit, Geduld und Übung lernt man sich selbst besser kennen, weiss um seine Sonnen- wie Schattenseiten. Man findet zur Ruhe und idealerweise auch zu sich selbst. Es stellt ein Gleichgewicht zwischen Kraft und Beweglichkeit her und sorgt für Balance. Yoga gab und gibt mir so vieles. Aber eben nicht alles.
Beim Kickboxen entdecke ich auf neue Art meine eigene Kraft, die sich hier nach aussen wendet. Das, was ich so viele Jahre in mir hatte, kommt nun im Aussen zum Vorschein. Yoga und Kickboxen scheinen Welten auseinander zu liegen. Das ist aber nicht unbedingt so. Das, was so lange durch Yoga in mir gewachsen ist, bringt das Kickboxen zum Vorschein. Meine innewohnende Kraft und mein Potenzial. Yoga und Kickboxen ergänzen sich meines Erachtens wie Licht und Schatten.
Ein häufiges Vorurteil über das Kickboxen ist, dass es nur stumpfe Gewalt und Aggression sei, die einen dort antreibt. Aus meiner Sicht weit verfehlt! Vielleicht gibt es Vereine, in denen es brutaler zugeht, aber eigentlich ist es ein fairer Sport, der durch klare Regeln definiert ist. Das Ziel muss auch nicht unbedingt das K.O. des Gegenübers sein, da es verschiedene Kontaktgrade und Disziplinen gibt.
Gerade als Frau befähigt mich das Kickboxen, an mich und meine Kraft zu glauben und darauf zu vertrauen. Damit meine ich nicht nur meine physische Kraft. Ich setze gesunde Grenzen, denn niemand hat das Recht, mich über das Maß hinweg anzugreifen. Mir ist es wichtig, dass insbesondere Frauen sich ihrer Kraft und ihres Potenzials bewusst sind. Denn niemand darf dich einfach für schwach erklären und dich verletzen. Statt auszuweichen und mich kleinzumachen, zeige ich heute lieber Präsenz und Stärke. Ich muss auch nicht jedem gefallen. Hauptsache ich bin wirklich bei mir und stehe zu mir. Von dort aus kann ich sein und den Menschen & der Welt meine Kraft zur Verfügung stellen. Dann fühlt sich mein Leben hundertprozentig an.
Meditation & Konfrontation
Meditation hilft mir, mich zu sammeln und zu fokussieren. Wenn sich zwei Menschen begegnen und ihre Kräfte messen, ist es wichtig, einerseits bei sich zu bleiben und aus der eigenen Mitte heraus zu agieren, aber sich auch mit seinem Kampfpartner zu konfrontieren. Da ist also nicht nur eine Kraft in mir, sondern eine weitere im aussen. Diese Kräfte begegnen sich. Leben ist Beziehung und wir stehen im ständigen Austausch mit anderen. Kräfte treffen aufeinander und verbinden sich. Yoga meint vom Wortursprung her auch, „sich verbinden, anjochen“. Menschen und deren Energien begegnen sich, berühren sich, konfrontieren sich miteinander, verschmelzen manchmal – im Yoga, beim Kampfsport oder im Leben an sich.
Was den perfekten Trainer für mich ausmacht
Ich erwarte nicht, dass ein perfekter Trainer alles weiss, geschweige denn alles kann. Die wichtigsten Aspekte sind für mich in diesem Zusammenhang Herzlichkeit und Offenheit. Weiter zählen Ehrlichkeit und hohe Motivationskraft. Der perfekte Trainer weckt alles in dir. Er bringt alles in dir so zum Vorschein, dass man es selbst auch noch aushält, hinzusehen. Die Wertung ist ehrlich, aber wohlwollend. Man lernt sich durch ihn so anzunehmen, wie man gerade ist. Und von dort aus, kann es weitergehen. Denn nur wenn wir den momentanen Ist-Zustand annehmen, können wir uns weiterentwickeln.
Fiese Verurteilungen und negative Kommentare von Seiten des Trainers sind völlig fehl am Platz. Unsere eigene kritische Stimme sagt uns das doch eh schon jeden Tag, dass wir zu dick , zu schwach oder was auch immer sind. Viel wichtiger von Seiten des Trainers ist doch ein gehörtes oder gespürtes: „Du schaffst das. Ich weiss es, weil ich an dich glaube.“
Ich habe ihn gefunden
Ja, es gibt ihn: den perfekten Trainer für mich. Ich habe ihn beim Kickboxen gefunden. Mein grosser Dank geht an Daniel! Du bist grossartig. Du gibst Hundertprozent und Du bist Hundertprozent. Auch wenn ich Dich noch nicht lange kenne, weiss ich, dass ich jetzt dort angekommen bin, wo ich immer hinwollte. Ich freue mich darauf, noch viel von Dir zu lernen. Du bist ein perfekter Trainer und toller Mensch, gerade weil Du die Poesie eines nicht-perfekten Lebens kennst. Trotzdem bist du optimistisch und beweist nicht nur im Ring Kampf- und Teamgeist.
Diese Stärke kannst du an andere weitergeben, nicht nur durch Training und Techniken, sondern durch deine Präsenz an sich. Du weisst auch, was es heisst, resilient zu sein, denn du besitzt nicht nur die Fähigkeit, den Widrigkeiten des Lebens etwas entgegen zu halten, sondern auch andere dazu zu befähigen.
Dein Spruch (ich weiss, er stammt eigentlich von Muhammad Ali, aber trotzdem ist es für mich Dein Spruch): „Flieg wie ein Schmetterling, aber stich wie eine Biene“, bedeutet mir mehr als Du Dir vorstellen kannst.
Ich bin fest davon überzeugt, dass andere genauso begeistert von dir als Trainer sind. Nein – eigentlich weiss ich es. Und deshalb kam jemand vor mir auf den Gedanken, das zu thematisieren und zu sagen: Du bist nicht nur ein toller Trainer des Kampfsports, sondern auch „Trainer des Lebens“. Das macht die „Perfektion“ aus.
Film „Trainer des Lebens“
Es soll ein Film über Daniel gedreht werden. Dies ist ein Projekt zu seinen Ehren. Wenn du möchtest, schau dir den Trailer an unter: http://www.Trainer-des-Lebens.de
Vielleicht kennst du Daniel sogar persönlich und möchtest das Projekt unterstützen.
Last but not least möchte ich alle Trainer (inklusive meiner Selbst) ermutigen, ein perfekter Trainer zu sein. Es gibt bestimmt viele perfekte Trainer, sicherlich bist auch du einer davon (und sei es nur für dich selbst) – nämlich der Trainer deines Lebens. Sei dies jetzt und immer zu Hundertprozent, im Training wie im Leben.
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