Haben wir die Kunst des Schenkens verlernt? Ich vermute ja, wenn ich mir die übervollen Strassen in den Städten und die sinnentleerten Gesichter so mancher Menschen in der Vorweihnachtszeit anschaue. Denn eigentlich braucht es nicht viel, um anderen Menschen eine Freude zu machen. Ein Lächeln, eine kleine Geste oder ein paar nette Worte genügen oft schon, um Grosses zu bewirken. Und trotzdem ist es uns meist lieber, etwas mit unseren Händen überreichen zu können.
Schenken ist schön
Wenn wir jemanden mögen oder lieben, dann möchten wir diesem Menschen gern etwas schenken, um ihm zu zeigen, dass er uns wichtig ist. Doch irgendwie wird dies häufig gerade vor Weihnachten auch anstrengend. Vielleicht möchten wir vielen Menschen ein Geschenk zukommen lassen. Oder wir merken, dass wir durch Materielles gar nicht auszudrücken vermögen, was uns eigentlich auf dem Herzen liegt. Wir werden unserer Freude, Dankbarkeit und Liebe mit etwas Kaufbarem nicht wirklich gerecht. Auf der anderen Seite ist es schwer auszuhalten, lieben Menschen mit leeren Händen aber vollen Herzens gegenüber zu treten. Denn die Norm heutzutage sieht anders aus. Also kaufen wir doch irgendetwas als Symbol unserer Gefühle.
Schenken – mal anders
Warum starten wir gegen Ende des Jahres nicht noch einmal einen gigantischen Schenk-Marathon der Freundlichkeiten? Anstatt des üblichen Konsum-Terrors können wir den Menschen, die uns etwas bedeuten, Zeit, Freude, ein offenes Ohr oder unsere Hilfsbereitschaft schenken, damit Weihnachten nicht immer mehr zum Shopping-Event verkommt.
Kleine Freundlichkeiten bringen viel. Sie erhellen den Tag. Nicht nur für den Empfänger sind sie angenehm wie Seelenbalsam, sondern auch der Spender fühlt sich meistens besser. Zum Beispiel kann ein einziges Lächeln die Atmosphäre in einem Raum erheblich zum Positiven verändern.
Dankbarkeit schenken
Dankbarkeit zu zeigen und zu äussern, ist eine der schönsten und letztlich einfachsten Gesten, die ich kenne. Wir können sie kostenlos an viele Menschen verschenken, die uns Gutes getan haben. Menschen, die uns geholfen haben (und wenn es nur bei den alltäglichen Kleinigkeiten ist), verdienen unsere Dankbarkeit. Menschen, die immer für uns da sind – in schönen wie in trüben Zeiten – sind nicht selbstverständlich. Seien wir zutiefst dankbar für diese Engel unseres Alltags. Menschen, die immer ein offenes Ohr für unsere Ideen, unsere Pläne aber auch für unsere Sorgen und Ängste haben. Menschen, die uns auch ohne Worte verstehen, bei denen wir uns anlehnen können. Die Menschen um uns herum, die uns lieben, wie wir sind. All jenen können wir aus tiefstem Herzen „Danke“ sagen.
Aber auch fremden Menschen gegenüber können wir zutiefst dankbar sein. Ich bin zum Beispiel dankbar für alle Menschen, die mir Dinge abnehmen, die ich selbst nicht machen möchte oder nicht machen kann. Krankenschwestern, Notärzte, Hospizhelfer, die unzähligen Ehrenamtlichen, die sich für unsere Stadt, unser Land, unsere Gesundheit oder Umwelt engagieren. Sie alle aufzuzählen, wäre nicht möglich, ihnen aber in Gedanken Dankbarkeit zukommen zu lassen, ist durchaus machbar.
Und wir können uns auch bei der Natur bedanken, die sich jeden Tag für uns verschwendet. Mutter Erde, die sich an uns verschenkt und uns nährt ohne Gegendienst zu erwarten, auch wenn sie ihn so dringend bräuchte. Verneigen wir uns einmal mehr vor der Grosszügigkeit der Natur in tiefer Dankbarkeit.
Zeit schenken
Wie wäre es, wenn du jemandem einfach deine Zeit schenkst? Natürlich ist es nicht so einfach, Zeit in ein bunt geschmücktes Päckchen zu packen. Man kann sie nicht bequem bei Amazon bestellen. Aber vielleicht macht sie das gerade so kostbar. Time is money – ja, Zeit deines Lebens ist wertvoll und sie anderen Menschen zu geben und zu schenken, ist eine wundervolle Geste, die man mit keiner Kreditkarte der Welt kaufen kann.
Wie du Zeit verschenkst, ist ganz dir überlassen. Du kannst zum Beispiel mit deiner besten Freundin in ein Café gehen und mit ihr den Nachmittag verquasseln. Oder du bietest dich an, die Sorgen und Ängste der Oma von nebenan liebevoll anzuhören und sie mit deinem offenen Ohr zu unterstützen. Du kannst auch einem befreundeten Pärchen die Kinder für einen Tag abnehmen, damit die beiden mal Zeit für sich haben. Du siehst, die Möglichkeiten sind fast unbegrenzt.
Liebe schenken
Liebe zu schenken und sich damit selbst zu verschenken, ist sicherlich die höchste Form des Geschenks. Aber auch hier können wir nicht einfach in den Laden gehen und ein entsprechendes Equivalent kaufen. Wir müssen darauf vertrauen, dass es dem anderen genügt und dass wir letztlich genügen.
Wie du Liebe verschenkst, liegt wieder ganz bei dir. Ich tue dies manchmal nur in Gedanken. Ich verbinde mich innerlich mit den geliebten Menschen. Ich bete für sie und wünsche ihnen von Herzen nur das Beste. Oder ich bin einfach für sie da. Ich umarme, streichle, liebkose sie. Ich versuche sie zu fühlen und nicht mich und meine Bedürfnisse.
Geschenke des Lebens
Das Leben selbst bietet uns eine Vielfalt von kleinen und grossen Geschenken an. Doch nicht immer fällt es uns leicht, diese zu sehen und anzunehmen. Manchmal ist unser Blick wie vernebelt und wir brauchen Zeiten der Ruhe und des Besinnens, um sie wieder wahrzunehmen.
Jeder Moment unseres Lebens ist im Grunde genommen ein Geschenk – die schönen Augenblicke sowieso, aber auch die zähen, traurigen, schmerzhaften und kraftraubenden Situationen, denn sie dienen letztlich unserem Wachstum.
Wenn ich durch Zufall erkenne, was ich vielleicht jahrelang „falsch“ gemacht habe, kann ich mich ärgern und grämen oder aber dankbar sein, dass ich es jetzt verstanden habe.
Wenn du von jemandem, den du magst, auf einmal keine Antwort mehr bekommst, dann ist das letztlich auch eine Antwort. Sei dankbar für diese Antwort und geh weiter.
Das Leben möchte nicht, dass wir stagnieren. Es drängt uns, immer voranzuschreiten. Und nichts ist so beständig wie der Wandel. Natürlich dürfen wir uns ausruhen, tief ein- und ausatmen und schönes geniessen. Wir dürfen auch mal den Kopf hängen lassen und uns bedauern oder richtig wütend sein. Doch wir sollten es den Geschenken des jeweiligen Moments gegenüber würdig tun.
Deine Geschenke
Was waren deine schönsten Geschenke (Erlebnisse, Erfahrungen, Entscheidungen…?) im Jahr 2014? Welche Erlebnisse sind kostbarste Perlen deiner Lebenskette? Welche wichtigen Erfahrungen möchtest du auf keinen Fall missen? Welche Entscheidungen waren genau die Richtigen für dich? Und was ist letztlich nicht so eingetroffen wie ursprünglich von dir gewünscht und ist – im Nachhinein betrachtet – auch gut so?
Ich wünsche dir einen hundertprozentig schönen 4. Advent mit atemberaubenden Geschenken des Lebens.
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